Die spannende Geschichte der digitalen Klaviere - Teil 1

Wir leben im Zeitalter der digitalen Geräte. Dass Klaviere, andere Tasteninstrumente, wie z.B. Orgeln und Cembalos, und sogar Instrumente wie das Schlagzeug, mehr und mehr digitalisiert werden, ist kein Wunder. Doch wann und wie kam es zu dieser Entwicklung? Wer hat das erste digitale Klavier erfunden?
Hier ist der erste Teil einer ganzen Serie über die Geschichte der elektronischen Klaviere in dem wir auf die Vorgänger der modernen Digitalpianos schauen, um besser verstehen zu können wie und aus was sie entstanden sind.


Einleitung: Die Vorfahren der modernen Digitalpianos

Elektrische und elektronische Instrumente wurden in der Nachkriegszeit erfunden und haben sich im Laufe der 70er Jahre zu dem entwickelt, was wir heute als „digitale Tasteninstrumente“ verstehen… Das stimmt nicht ganz. Ob man es glaubt oder nicht, aber die ersten Experimente mit elektrisch erzeugten Klängen wurden schon im 18. Jahrhundert (!) gemacht. Doch die elektrischen Instrumente von damals waren alles andere als das, was wir heute als elektrische Instrumente verstehen.

Die Geschichte, auf die wir fokussieren wollen, beginnt in den 30er Jahren in den USA. Verschiedene Gruppen von Wissenschaftlern und Klavierherstellern hatten damals eine ähnliche Produktidee: Ein akustisches Klavier, dass ohne Mikrofone verstärkt werden kann. Die Konzertsäle von damals wurden immer größer, genauso wie die Orchester und Big Bands, und akustische Instrumente konnten einfach nicht mit den Lautstärkenforderungen mithalten. Deshalb wurden ungefähr zur selben Zeit ähnliche Experimente gemacht und Projekte gestartet, um elektrische und elektronische Instrumente zu erfinden – egal, ob Klaviere oder Gitarren. Die ersten Instrumente dieser Art waren vor allem sogenannte elektroakustische Instrumente, d.h. Instrumente mit sowohl elektrischen als auch akustischen Bauelementen.
FlügelDer Bechstein-Siemens-Nernst-Flügel ist ein großartiges Beispiel für diese Technologie aus der Zeit. Der Flügel war eigentlich ein akustisches Instrument, doch jede Saite war mit einem Tonabnehmer verbunden, der die Schwingungen weiter an einen Verstärker geleitet hat. Nach dem Verstärken im Verstärker wurden die Schwingungen über eingebaute Lautsprecher hörbar gemacht. Das Instrument hatte also sowohl akustische Bauteile wie die Saiten und den Körper, als auch elektrische wie die Tonabnehmer und den Verstärker. Dieses System war der primitive Vorläufer der elektroakustischen Instrumente, die später in den 50er und 60er Jahren auf den Markt kamen. Gleichzeitig war es sehr ähnlich zu der Yamaha CP Serie (z.B. das berühmte Yamaha CP-70), die in den späten 70ern populär war.

In den 60er und 70er Jahren kamen dann Instrumente wie beispielsweise die von Wurlitzer und Fender Rhodes auf den Markt, die auch eine elektroakustische Klangerzeugung hatten. Saiten wurden durch Metallstäbe ersetzt, die für die Klangerzeugung verantwortlich waren. Das Prinzip ist ganz einfach: Anstelle, dass der Hammer auf eine Saite schlägt, schlägt er auf ein Stück Metall, dass in Schwingung gesetzt wird. Die Metallstäbe hatten eine ähnliche Form zu Stimmgabeln, und die Funktionsweise war eigentlich auch dieselbe.


Die 70er: Die ersten elektronischen Klaviere

Die späten 60er und frühen 70er können als Anfangsphase des modernen digitalen Pianos bezeichnet werden, denn zu der Zeit wurden die ersten Instrumente produziert, die unseren modernen Digitalpianos ähneln. Man muss aber sagen, dass ein großer Teil der Produkte von damals trotzdem, vor allem was den Klang angeht, sehr begrenzt waren und nicht wirklich wie ein akustisches Klavier geklungen haben. Eine kurze Suche auf YouTube nach einem Videodemo eines der Instrumente aus dieser Zeit kann dies schnell betätigen.
Doch trotzdem kann man sagen, dass zu dieser Zeit gewisse Grundtechnologien entwickelt wurden, ohne die jegliche weitere Entwicklung unmöglich gewesen wäre. Die Zwei wichtigsten Erfindungen aus dieser Zeit sind: Das komplett elektronische Klavier und das sogenannte Touch Sensitivity (Anschlagsdynamik).

Einleitung: Die Transistorrevolution

Diese zwei Entwicklungen waren nur möglich, weil eine andere Erfindung ihren Weg auf den Markt gemacht hat: Der Transistor. Transistoren sind kleine elektronische Bauteile, die Signale verstärken können – die Betonung hier liegt auf „klein“.
Instrumente vor der Transistorrevolution waren auf Röhrentechnologie basiert, die sehr unzuverlässig und teuer war, und Wärme als Nebenprodukt hatte.
Transistortechnologie hingegen hat es ermöglicht viel kleinere, billigere und mehr zuverlässige Instrumente zu bauen, was eine große Bedeutung für den Markt hatte.

Ab hier wird die Geschichte komplizierter, denn ein neuer Typ von Instrumenten kam damals auf den Markt: Die elektronischen Klaviere. Sie unterscheiden sich von elektrischen Klavieren vor allem dadurch, dass sie ähnlich zu Synthesizern funktionieren – sie erzeugen den Klang nicht mechanisch, wie elektrische Klaviere, sondern mithilfe von Oszillatoren (Oszillatoren sind elektronische Schaltkreise, die Schwingungen erzeugen, die durch Verstärkung gehört werden können), die die Schwingungen erzeugen. Die Oszillatoren waren trotz dem immer noch analog, doch sie haben die oben genannten Transistoren benutzt, um die Schwingungen zu erzeugen.
Diese Technologie war ein großer Schritt sowohl für Hersteller als auch für Musiker, denn eine elektronische Klangerzeugung hat endlich ermöglicht die Instrumente kleiner und leichter zu bauen.
Ein anderer großer Vorteil war auch, dass der Klang besser gebildet und modifiziert werden konnte, da er nicht von mechanischen Teilen abhängig war.

RMI 300 Electra-Piano

RMIs (kurz für Rocky Mount Instruments) 300-Serie Electra-Piano kam im Jahr 1967 mit revolutionären Verbesserungen in der Klangerzeugung auf den Markt. Das Electra-Piano war immer noch analog, aber völlig elektrisch – also keine mechanische Klangerzeugung wie bei Wurlitzer und Fender Rhodes!
Jede Note, also jede Taste, hatte einen eigenen Oszillator, dessen einzige Aufgabe es war die Frequenz dieser Note zu produzieren. Das große Problem war aber, dass das Instrument kein Touch Sensitivity hatte und es deshalb unmöglich war die Dynamik durch die Spielweise zu steuern – alle Töne hatten dieselbe Lautstärke!
Trotzdem konnte man ein Pedal anschließen um Töne länger klingen lassen zu können.

Roland EP-10

Kurz danach, im Jahr 1973, hat Roland das EP-10 auf den Markt gebracht – deren erstes elektronisches Piano. Hier muss man schon deutlich unterstreichen, dass Roland in dieser Branche einen großen Vorsprung im Verhältnis zu Yamaha und Co. hatte, denn ein ähnliches Instrument hatte Yamaha nicht bis zu den 80ern und Kawai nicht bis zu 1986!

Roland EP-30

Das erste elektronische Tasteninstrument mit Anschlagsdynamik. Roland war der erste Hersteller, der ein elektronisches Instrument mit Anschlagsdynamik auf den Markt gebracht hat: Das EP-30 im Jahr 1974. Diese revolutionäre Erfindung hat den Weg für eine neue Generation von Instrumenten geprägt, die mehr und mehr Eigenschaften eines Flügels hatten. Die Klangerzeugung war immer noch auf herkömmlichen Oszillatoren basiert, und deshalb hat der Klang des Instrumentes mehr einem Synthesizer geähnelt als einem Flügel. Doch immerhin konnte jeder Ton in mehreren Lautstärken wiedergegeben werden, was damals für viel Aufmerksamkeit gesorgt hat.